Alles für den User

User

Jedes Berufsfeld hat sein ganz eigenes Vokabular an Fachtermini, mit denen die Angehörigen mit mal mehr, mal weniger Bewusstsein für die Allgemeinverständlichkeit dieser Ausdrücke um sich werfen. Softwareentwicklung ist da, zur großen Überraschung von niemandem, keine Ausnahme. Von den ganzen technischen Begrifflichkeiten und dem Akronymwust à la "Damit die Änderungen sichtbar werden, müssen Sie das SCSS und JS beim Deployment gulpen, die Clients neustarten und der Varnish purgen" mal abgesehen, existieren wir als Agentur zusätzlich in der Fachsprachenüberschneidung von IT, Marketing und Design, was noch einmal ganz eigene Schwierigkeiten mit sich bringt.

Wie eine ganze Palette von Ausdrücken nahelegt, schlägt unser Herz für die Nutzer*innen – zu Denglisch User – unserer Produkte. Leider klingen einige dieser Begriffe sehr ähnlich, auch wenn sie unterschiedliche Dinge benennen.

Daher hier ein kleiner Überblick über gängige Fachbegriffe aus dem Agenturalltag, die das Wort "User" beinhalten:

User Interface

Oft abgekürzt als UI bedeutet dieses Wort "Nutzerschnittstelle", das heißt die Oberfläche, über die Mensch und Software miteinander interagieren. Das beinhaltet auf Softwareseite alle menschenwahrnehmbaren und interagierbaren Elemente: Text, Buttons, Eingabefelder, Bilder etc. und wie das alles gestaltet ist. Die technische Basis des UI wird in der Webentwicklung Frontend, also Vorderseite/Kopfende, genannt und baut oft auf vollkommen anderer Technologie als die Hinterseite – das Backend – auf, das die Logik, Datenhaltung etc. bedient.

User Experience

Allen Hippen und Schreibfaulen (was wir alle sind, geben wir es zu) auch als UX bekannt, betitelt das Nutzererlebnis die psychologischen und emotionalen Aspekte der Interaktion mit einem Produkt oder einer Marke – in unserem Falle einer Website. Wie schnell komm ich als User an mein Ziel? Frustriert mich ein Workflow? Ist die Ästhetik ansprechend? "Fluppt" die Interaktion mit der Seite?

Der Eindruck und die Emotionen, die eine Website auslösen, stehen hier im Vordergrund. UI und UX gehen Hand in Hand, weswegen die gemeinsame Schreibweise UI/UX so geläufig ist. Beides sind Aspekte, die vorwiegend in den Bereich von Konzept und Design fallen.

User Story

User Storys sind ein Tool zur Erfassung von Anforderungen und Akzeptanzkriterien in der Softwareentwicklung. Das sind kurze, meist nur zwei Sätze lange Beschreibungen eines Bedürfnisses eines prototypischen Users (oder einer anderen Rolle wie Admin oder Redakteur*in) in Alltagssprache, anhand derer sich technische Anforderungen ableiten lassen.

Ein Beispiel wäre "Als User möchte ich mich registrieren, um Zugriff auf Informationsmaterial zu bekommen". Die technische Übersetzung wäre, es muss ein Registrierungsformular geben und die Website muss eine Bestätigungsmail schicken können. Falls das nicht schon feststeht könnte an dieser Story auch die Notwendigkeit eines Content Management Systems mit Nutzerverwaltung festgemacht werden.

Das Charmante an User Storys ist, dass sie von Technik-Laien geschrieben werden können und einen einfachen Einstieg in die Konzeption einer Seite bieten, ohne sich in technische Details zu verstricken. Das Nervige an User Storys ist, dass sie sehr viel Aufwand zu schreiben sind, wenn sie alle Anwendungsfälle komplexer Systeme abbilden wollen.

User Journey

User oder Customer Journeys (hier erahnt man schon die Herkunft aus dem Marketingkontext) sind holistische Szenarien, welche die gesamte Interaktionen eines fiktionalen prospektiven Users vom ersten Aufkommen eines Bedürfnisses bis hin zu dessen Befriedigung mit dem Geschäftsabschluss kartieren.

Dies beinhaltet auch die Interaktionen mit anderen, nicht von der Marke kontrollierten Kanälen und deckt das gesamte Marketingkonzept für ein Produkt ab. Daher werden Recherche auf Suchmaschinen und Social Media Plattformen, der Besuch einer Messe oder die Empfehlungen von Freunden genauso bedacht und erfasst wie die Interaktion mit der Website selbst, die im Idealfall den User an jedem Punkt seiner Reise abpassen und mit sanfter Hand in die gewünschte Richtung lenken kann.

Sich zyklisch wiederholende User Journeys können in einem User Activity Cycle abgebildet werden. Das ist zum Beispiel der Fall bei Produkten des täglichen oder zumindest regelmäßigen Bedarfs oder einem Produkt oder Dienst, der stark auf Empfehlungsmarketing setzt.

User Flow

Ist die User Journey die Macroebene, so ist der User Flow die Microebene der Interaktion. Die Ähnlichkeit zum Wort Workflow ist kein Zufall: Ein User Flow ist die Reihe von Schritten, die für den User notwendig sind, um eine bestimmte Aktion durchzuführen. Zum Beispiel eine Bestellstrecke, der Ablauf der Registrierung oder die Klickstrecke für eine Terminbuchung. Abgeschlossene Teilstücke der Journey lassen sich als Flow auf der Webseite abbilden. Dieser ist dann wiederum von UI/UX ansprechend und gut bedienbar zu gestalten.

Honorable Mention: Usability

Enthält nicht ganz das Wort User, könnte man aber auch kurzerhand zur Kurzform von The User's Ability To Achieve The Thing They Are Trying To Do erklären. Die Bedienbarkeit einer Seite ergibt sich größtenteils aus der Summe der vorher benannten Konzepte, insbesondere aus UI und UX, legt aber noch einmal mehr Gewicht auf die tatsächlichen Umstände der Nutzung wie zum Beispiel Barrierefreiheit, aber auch andere technische Aspekte.

Wenn ich eine besonders gut konzipierte und wohlgestaltete Seite habe, die aber hauptsächlich mobil benutzt wird und eine so unterirdische Performance hat, dass sie mit mobilem Internet nicht lädt, hat sie allem Design zum Trotz eine schlechte Usability – und damit eine schlechte User Experience. Wenn ich ein Produkt habe, das User meistens aus einem Impuls heraus benutzen, sind kleinschrittige, langwierige User Flows, die in gemächlicheren Kontexten wunderbar funktionieren, eher hinderlich.

UI, Usability und UX ergeben zusammen die Dreifaltigkeit der nutzerzentrierten Softwareentwicklung.

Ähnlich und doch anders

Zwar bestehen zwischen vieler dieser Begrifflichkeiten Verwandtschaften und Überschneidungen, trotzdem hat jeder von ihnen seine Daseinsberechtigung. Sie sind Design- und Konzeptions-Tools und Linsen, durch die wir eine Website betrachten, planen und bewerten können, vom Großen Ganzen bis hin zu den kleinsten Einzelschritten.