Feature Creep

Die schleichende Gefahr
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Jeder Neuanfang ist schön

Unser Anspruch und unser Handwerk ist es, anspruchsvolle Software schön und einfach zu benutzen zu machen. Das ist nicht leicht, aber hey – wenn es einfach wäre, könnte unser Kundschaft ihre Website auch von einer KI schreiben lassen.

Das fängt schon beim Design an: Das UI muss klar und aufgeräumt, alle Funktionen müssen aber einfach zu finden und zu erreichen sein. Diese teils sehr widersprüchlichen Anforderungen erfordern oft Kompromisse aber auch eine genaue Abstimmung von Design und Systemarchitektur.

Was lange wehrt wird endlich … oh oh

Frisch aus der Konzeptionsphase klingt ein minimalistischer Built – das Minimal Viable Product oder MVP – mit fast schon klösterlich kargem Interface total gut. Nach und nach werden dann die Features aus dem Backlog integriert. Aber wenn die Website dann läuft und gut angenommen wird, bekommt man als Betreiber*in die Idee: Hey, wäre es nicht noch viel besser, wenn wir noch Feature X einbauen würden? Und wenn Feature X implementiert ist, fällt einem Feature Y ein! Und wäre Z nicht auch noch ein echter Mehrwert für die User? Deswegen starten Websites oft schlank und schön und blähen sich mit der Zeit immer weiter auf.

Sekundäre und tertiäre Navigationsebenen, Menüs an undenkbaren Stellen, unzählige Optionen, die man aber auch auf keinen Fall wiederfindet, wenn man sie denn sucht … Es gibt einen Namen für den Prozess, der aus Webseiten Monster macht: Feature Creep oder auch Software Bloat. Das Ergebnis: Eine Website, deren UI nie dafür gedacht war, die Fülle an Features, die es zur Verfügung stellen muss, zu beherbergen. Im besten Fall ruiniert es das Design – im schlimmsten Fall macht es die Seite unübersichtlich und von der Performance her kaum benutzbar.

Aber das Interface ist nur die Spitze des Eisberges: Werden an die ursprüngliche Systemarchitektur ungeplante Features angeflanscht, hat das oft zur Folge, das viel des ursprünglichen Codes umgeschrieben werden müsste. Wenn das der Kundschaft zu teuer ist – und das ist es meistens – führt das zu unschönen Hacks, um Feature Z.327b doch noch umzusetzen. Das wiederum zieht Wartungsprobleme bis hin zur Unwartbarkeit mit sich. Eigentlich kleine Änderungen brauchen lange Entwicklungszeit und werden deswegen richtig teuer.

Klingt unattraktiv? Ist es. Auf allen Seiten. Leider gibt es kein Patentrezept gegen Feature Creep, außer eine sehr rigorose Projektleitung, die irgendwann die Notbremse zieht. Keine Features sind allerdings auch keine Lösung.

Was hilft bei Feature Creep?

  1. Klare Kommunikation: Teilen Sie Ihrer Agentur von Anfang an mit, wenn Sie Erweiterungsmöglichkeiten für die Website sehen, die aber aus Budget- oder Zeitgründen in der initialen Entwicklung nicht umgesetzt werden können. Die Architektur und das Design können dann so angelegt werden, dass sie zusätzliche Funktionen abbilden können.
  2. Bereitschaft, zu investieren: Wenn Sie können, lassen Sie Ihre Agentur für ein bestimmtes Feature notwendige Umbauarbeiten im Code, die das System wartbar halten, umsetzen. Auch wenn es dadurch zunächst teurer ist – die Investitionen zahlen sich letztendlich aus.
  3. Einsicht: Es wird nicht alles gehen, was Sie sich wünschen. Nein, Ihre Website kann nicht den gleichen Funktionsumfang wie Amazon haben. Ihre User werden nicht von jedem Feature so viel profitieren, dass es die Schmerzen, die es Sie und die Entwickler*innen kosten wird, wert ist. Meditieren Sie darüber. Akzeptieren Sie es.
  4. Kill it with fire: Wenn absehbar ist, dass eine Website unter Feature Creep zusammenbrechen wird, ist das einzig probate Mittel ein Relaunch. Wenn wir ein Projekt von der Pike auf neu aufsetzen, können wir alle bisherigen und noch geplanten Features mitbeachten und das System in puncto Design, Architektur und Performance von vorne herein so planen, dass es mit den Anforderungen mithält.

Wichtig ist: Feature Creep muss klar benannt und angegangen werden, denn es macht ein Projekt auf Dauer untragbar. Sprechen Sie also mit Ihrer Agentur und hören Sie im Gegenzug auch auf sie, wenn Bedenken laut werden, dass zusätzliche Features eine Website ungebührlich belasten könnten. Die Pauschallösung gibt es nicht, aber wenn es eine Lösung abseits vom Relaunch gibt, werden Sie diese nur gemeinsam finden.