Warum Slider nicht auf deine Startseite gehören

Stell dir vor, du sitzt mit einer nicht näher zu benennenden Agentur in einem Konzept-Meeting, um deine nigelnagelneue Website zu planen. Es herrscht Aufbruchsstimmung, alle schäumen über vor Ideen und Vorfreude auf das gemeinsame Projekt.
Inmitten deiner enthusiastischen Ausführungen, wie du deine Kundschaft in Zukunft am digitalen Point of Sale abholen willst, sagst du: „Und auf der Homepage packen wir all unsere wichtigsten Angebote und Themen in einen Slider!“
Die Stimmung kippt vom einen Augenblick auf den nächsten. Du blickst in Gesichter, die in etwa die gleiche Reaktion zeigen, als hätte Opa gerade gesagt: „Moment, ich hole eben den Dia-Projektor raus!“
Dass Slider dasselbe Grauen auslösen wie das namensgebende Dia (= engl. „slide“), ist kein Zufall.
TL;DR: Slider sind …
- nicht zeitgemäß
- nicht funktional
- oft wahre Performance-Killer
- ein Usability-Albtraum
1. Slider sind nicht zeitgemäß
Ob man es jetzt Slider, Slideshow oder Karussell nennt: Große durchrotierende Bilder auf Websites sind ein Relikt aus den Zeiten, in denen es aufregend war, dass das überhaupt ging. Was jetzt bald 20 Jahre her ist. In Web-Jahren ist das ungefähr so lange her wie die Erfindung der Glühbirne.
Damals war es neu, dass die Bandbreite ausreichte, um überhaupt große Medieninhalte auf Websites einzubinden. Damals war es neu, dass man mithilfe von jQuery schnell und einfach Animationen umsetzen konnte.
Was damals noch zu neu war: Smartphones. Slider sind ein Relikt der Prä-Responsive-Ära und mögen auf Desktops damals einen Wow-Effekt gebracht haben. Auf Mobilgeräten büßen sie diesen ein und sind noch dazu schlecht zu bedienen.
Ein Gestaltungselement, das so viele Jahre auf dem Buckel hat, hat seinen Neuheitswert eingebüßt und technisch lösen sie auch keine Begeisterungsstürme aus.
Aber haben Slider sich in all der Zeit nicht bewährt? Gibt es keine Gewohnheit, gar eine Erwartungshaltung der User, dass es Slider auf einer Website gibt?
2. Slider sind nicht funktional
Man könnte Slider als den liebgewonnenen Opa unter den Design-Elementen sehen, wenn sie nicht so schrecklich, schrecklich unfunktional wären.
Anno dazumal gestaltete man Websites noch ein wenig wie eine Kreuzung aus Flyer und Werbespot: Man stellte sich vor, wie die User mit viel Muse und Neugier auf eine Website kommen und geflasht von all den Möglichkeiten Dieses Internets™ erstmal eine halbe Minute lang in ehrerbietiger Schockstarre dasitzen.
In dieser Zeit platzieren die automatisch vorbeiziehenden Bilder der Slideshow all die unterschiedlichen Themen, die der Unternehmenskommunikation besonders wichtig sind, im Bewusstsein des passiven Gefäß des Users.
Heute gibt es allerdings Methoden, um User-Interaktion zu messen. Es gibt Studien und Opa, ich habe schlechte Neuigkeiten:
Kein Mensch guckt sich Slider an.
Das liegt zum einen daran, dass das Internet kein Broadcasting-Medium mit passivem Publikum ist, sondern ein interaktives Geflecht. Website-User haben im Gegensatz zu klassischen Fernsehzuschauer*innen Agency, also Handlungsfähigkeit. Diese macht sich insbesondere dadurch bemerkbar, dass ein prototypischer User die ganzen wohlplatzierten Marketingbotschaften meistens ignoriert und Seiten nur kurz überfliegt, um zu überprüfen, ob er hier den für ihn relevanten Inhalt wohl findet oder nicht.
Die Zeit, die User auf einer Seite verbringen, dümpelt in den meisten Branchen zwischen 40 Sekunden und einer Minute herum, aber ob sie diese Zeit überhaupt aufwenden, entscheidet sich in den ersten zehn Sekunden. Zehn Sekunden hat deine Website, um zu überzeugen und die Wahrheit ist: Slider tragen dazu nichts bei.
Zum anderen liegt es daran, dass Slider meist bessere Werbebanner sind. Wenn der User sie überhaupt wahrnimmt (es gibt nämlich den Effekt der sogenannten „Banner-Blindness“, der bezeichnet, dass User aus Gewohnheit Werbebannern keine Aufmerksamkeit schenken), sind sie oft nicht aussagekräftig genug, um echte Neugier zu wecken.
Und schon bis zur zweiten Slide wartet kaum jemand. Die Klickraten bestätigen dies:

In einer Studie der University of Notre Dame haben egal mit welchem Setup niemals mehr als 10 % der User auf eine Slide geklickt und der Abfall zwischen der ersten und den anderen Slides ist auch im besten Fall noch enorm.
Slider sind also schlecht darin, Themen zu platzieren, sie werden nicht geklickt und dienen daher weder der Orientierung noch der Conversion.
3. Slider sind nicht performant
All die Bandbreite, die Slider einst möglich gemacht hat, hat sich ironischerweise durch das Aufkommen von Mobilgeräten wieder relativiert. Denn wenn wir unsere internetfähigen Geräte mit uns herumtragen, sind wir auf das vor allem in Deutschland notorisch lückenhafte Handynetz angewiesen. Wie gut die Datenverbindung ist, schwankt regional enorm.
Bilder sind, auch wenn man sie komprimiert und in mobiloptimierten Größen ausliefert, immer eine nicht zu vernachlässigende Datenmenge. Dazu kommt Javascript, was nicht viel sein muss, aber je nachdem, was sonst noch auf der Seite ist, die Mobilbrowser vor allem auf älteren Geräten überfordern kann.
Slider machen Seiten also langsam und was sagt Google zu langsamen Websites? Richtig: Gehe auf die hintersten Seiten der Suchergebnisse, gehe direkt dorthin, gehe nicht über Los und ziehe auch keine 200 € ein. Slider sind daher auch schlecht für SEO.
Zehn Sekunden hat man, um einen User zu überzeugen. Wenn diese zehn Sekunden Ladezeit sind, wird der User deine Website niemals zu Gesicht bekommen.
4. Slider haben schlechte Usability
In so gut wie jedem User wecken Slider das innere Kleinkind, das aufstampft und schreit: „Lass mich, ich kann das selber!“ User wollen nicht berieselt werden. Schon gar nicht wollen sie, dass etwas ohne ihr Einverständnis automatisch abspielt. Das gilt für Videos genauso wie für automatisch wechselnde Bilder in einem Slider.
Was ein Problem für die Usability ist, ist immer auch ein Problem für die Accessibility, die im Rahmen des BFSG inzwischen alle Betreiber kommerzieller Websites auf dem Schirm haben sollten.
Mal davon abgesehen, dass große Bilder für sehbeeinträchtigte User vollkommen irrelevant sind, sind für manche Menschen schnelle Bewegungen und vor allem solche, die sie nicht unter Kontrolle haben, ein echtes Problem.
Insbesondere wenn Slider etwas längeren Text beinhalten, kann ein zu kurzes Slide-Intervall User stressen und frustrieren.
Und da wir schon festgestellt haben, dass Slider, wenn sie nicht aktiv stören, ohnehin ignoriert werden, ist die beste Lösung für alle, einfach keine zu verwenden.
Aber, aber, aber …
Ja, okay, es gibt legitime Einsatzbereiche für Slider. Aus Verlegenheit irgendwelche Stockfotos in einen Slider auf der Startseite zu packen, um Links zu Themenseiten zu illustrieren, gehört jedoch nicht dazu.
In Ordnung sind Slider für kleine Bildergallerien, z. B. in Artikeln oder Portfolios, oder die Darstellung mehrerer Produktbilder.
Die Betonung liegt auf: Bilder. Wenn man ohnehin mehrere (aber immer noch eine übersichtliche Anzahl) Bilder laden und anzeigen muss, sind Slider ein gangbarer Weg. Für alle anderen Formen von Content gibt es bessere Anzeigeformate.
Alternative Ideen für den Einstieg auf der Startseite
- Du verkaufst ein Produkt? Eine Übersicht über die USP und ein schickes Produktbild wecken Interesse!
- Du bietest eine Vielzahl an Produkten oder Dienstleistungen? Ein Suchfeld lässt User schnell checken, ob du im Angebot hast, was sie suchen!
- Du hast eine Botschaft? Eine schön gesetzte Headline mit einem aussagekräftigen (!) Bild bringt sie besser rüber als jeder Slider es könnte!
- Du hast Angebote für unterschiedliche Zielgruppen? Nebeneinanderstehende Link-Kacheln, die zu den jeweiligen Übersichtsseiten führen, holen deine User passgenau ab.
Und wenn wir mal ehrlich sind: Die meisten User kommen heutzutage nicht mehr über die Startseite sondern werden von der Suchmaschine ihrer Wahl direkt auf entsprechende Unterseiten geschickt. Die Startseite sollte daher einfach schnell Überblick und Orientierung bieten.